Börsensprech: Burggraben

Burg mit Burggraben

Da mich wie erwähnt auch die psychologischen Aspekte der Börse interessieren, werde ich hier im Blog immer mal wieder auch die Sprache der Börse analysieren, heute geht es um den Begriff des „Burggrabens“, den eine Firma aufgebaut hat:

Grundsätzlich ist damit ein Alleinstellungsmerkmal oder Wettbewerbsvorteil gemeint, den sich ein Unternehmen gesichert hat, welcher die Firma also nicht oder nur schwer „einnehmbar“ macht für Mitbewerber oder sonstige unerwünschte „Eindringlinge“ , ganz wie der Graben bei mittelalterlichen Burgen.

Diese Gräben können auf verschiedene Arten entstehen, dazu einige Beispiele:

Größe und Bekanntheit
Insbesondere bekannte Marken wie Amazon oder auch Produkte wie Tempo, welches sogar als „Gattungsbegriff“ gilt, machen es ihrem Wettbewerb schwer bzw. machen es für „Newcomer“ schier unmöglich, auf den Markt zu kommen – stell Dir vor, Du würdest mit der Idee auf Investoren zugehen, ein „neuartiges Papiertaschentuch“ auf den Markt zu bringen: Vermutlich müsstest Du schon sehr innovative Produktmerkmale entwickeln, um diese zu überzeugen. Ähnlich schwierig dürfte es werden, Starthilfen für die Idee zu generieren, „der führende weltweite Onlineshop zu werden“.
Größe kann also bereits eine Art „Burggraben“ um ein Unternehmen ziehen und dieses somit uneinnehmbar machen. Deshalb setzen viele Newcomer auf die „Growth“-Strategie: Schnelles Wachstum um potenziellen „Copycats“ (Unternehmen, welche neue Geschäftsmodelle mit massivem Finanzeinsatz kopieren und verdrängen) die Basis zu entziehen.

Skaleneffekte
Nicht immer setzt sich im Konkurrenzkampf das größte Unternehmen durch, es gelten auch Skaleneffekte welche durch frühzeitiges Handeln gesichert werden können: So hat es Netflix als Streaming-Anbieter geschafft, exklusive Deals mit Produzenten zu sichern, bevor die „Big Player“ auf dem Markt (Amazon, Apple, Disney) ihnen zuvorkommen konnten. Spannende Filme und Serien sorgten dann für steigende Abonnenten, diese größere Basis sorgte für steigende Umsätze, welche Netflix wiederum zur Ausweitung ihres Repertoires nutzen konnte – den sogenannten Skaleneffekt.
Können Unternehmen diese Skaleneffekte geschickt zu ihrem Vorteil nutzen, spricht man auch von „the winner takes it all“ – der Stärkste der Branche dominiert alle anderen – hier kommt also wieder der zuvor genannte Burggraben „Größe“ zum Tragen, die beiden Effekte gehen ineinander über. Übrig bleibt dann primär eine Suchmaschine, ein Onlineshop und ein Streaming-Anbieter, die Wettbewerber stehen im Schatten oder geben gänzlich auf – wenn sie nicht vom Platzhirsch geschluckt werden.

Know-How, Patente
Ein weiterer wichtiger Burggraben kann die Expertise eines Unternehmens, also dessen Wissensvorsprung sein – idealerweise gestützt durch entsprechende Patente. Auch hier möchte ich als Beispiel gerne wieder auf BioNTech verweisen, welche als kleiner „Underdog“ durch eine hervorragende Forschung und Sicherung der daraus resultierenden Ergebnisse durch Patente zum globalen Player im Bereich der Corona-Impfstoffe wurde. Auch hierdurch fand wiederum eine Verdrängung statt, nachfolgende Wettbewerber hatten es deutlich schwieriger oder stellten ihre Aktivitäten gleich gänzlich ein, der Burggraben war also erfolgreich.

Abgesehen davon, dass das Phänomen der Burggräben psychologisch interessant ist, solltest Du es auch wirtschaftlich betrachten, sprich in die Analyse für Dich interessanter Firmen integrieren: Hat die betreffende Firma einen derartigen Vorsprung, den sie als Burggraben ausbilden kann und so dem Wettbewerb voraus ist? Dann solltest Du diesen Faktor positiv in die Gesamtbetrachtung mit einfließen lassen!

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